Einblicke

Wenn Schrift Marken bewegt: Wie Typografie Markenidentität und Wiedererkennbarkeit stärkt.

Geschrieben von Christian Jung | 3. Dezember 2025

Wie Logo und Farbe ist auch die Schrift ein prägender Teil der Marke. Sie gibt Identität eine Form und verwandelt Werte in Haltung. Wer Typografie gezielt einsetzt, lässt seine Marke sprechen, noch bevor ein Wort gesagt ist. Über die Wertschöpfungskraft von Markenschriften schreibt Christian Jung, Senior Art Director und Entwickler markenprägender Schriftsysteme.

Märkte werden enger, Budgets knapper, Markenbotschaften lauter. In einer Welt, in der Produkte immer austauschbarer werden, reicht »gut gestaltet« längst nicht mehr. Marken müssen erlebbar, erkennbar und unverwechselbar sein. Doch wie gelingt Differenzierung, wenn alle dieselben Werkzeuge nutzen?

Viele denken bei Gestaltung zuerst an Logos oder Farben. Doch das Element, dem wir am häufigsten begegnen, bleibt oft unbeachtet – die Schrift. Sie begleitet uns überall: in Anzeigen, auf Websites, in Apps, Verträgen oder E-Mails. Genau darin liegt ihre Kraft.


Von der Neutralität zur Persönlichkeit

Lange galt: Je neutraler die Schrift, desto besser. Klassiker wie die Helvetica prägten das Bild moderner Marken: reduziert, sachlich, klar. Ihre gute Lesbarkeit und die vertrauten Formen machten sie zur sicheren Wahl. Doch genau diese Sicherheit führte zu Gleichförmigkeit. Wenn alles gleich aussieht, bleibt nichts im Kopf. Mit der wachsenden Zahl an Marken, die um Aufmerksamkeit und Relevanz ringen, wuchs auch der Wunsch nach Eigenständigkeit. Typografie wurde wieder persönlicher, mutiger, charaktervoller.

Heute steht Typografie wieder für Haltung und Differenzierung. Sie gibt Marken die Möglichkeit, ihre Einzigartigkeit sichtbar zu machen, statt im Einheitsgrau der Neutralität zu verschwinden.

Schriften schaffen auf den ersten Blick Wiedererkennbarkeit, transportieren Werte und prägen, wie eine Marke wahrgenommen wird – jeden Tag, an jedem Kontaktpunkt. Wer Typografie strategisch einsetzt, sorgt nicht nur für ein stimmiges Markenerlebnis, sondern kann gleichzeitig Ressourcen schonen. Denn die richtige Schrift macht Designqualität effizient. Schrift ist das visuelle Rückgrat jeder Marke. Ihr Tonfall, ihre Haltung, ihre Persönlichkeit wird in eine Form gebracht, die wir alle verstehen: Buchstaben und Zeichen. Kostenfreie Standardschriften mögen zwar kurzfristig praktisch sein. Aber wer seine Marke langfristig stärken will, erkennt schnell: Schrift ist kein Kostenpunkt – sie schafft Wert.


Lesen und gelesen werden

Eine Schrift kann freundlich klingen oder distanziert, seriös wirken oder verspielt. Sie kann Vertrauen aufbauen oder Skepsis erzeugen, unabhängig von den Worten, die sie formt. Wie eine Marke wirkt, hängt eng mit dem Schriftbild zusammen. Eine weiche, offene Sans Serif vermittelt andere Werte als eine präzise Serifenschrift. Und wer einmal eine Marke erlebt hat, deren Schrift perfekt zu ihrer Haltung passt, spürt sofort: Typografie ist Charakter.

Die stärksten Marken erkennt man auch ohne Logo: Eine charakteristische Schrift und eine klare Farbwelt genügen. Beste Beispiele sind MediaMarkt, Deutsche Bahn oder Ikea. Wenn Typografie und Farbe perfekt zusammenspielen, entsteht ein visuelles Gefühl, das sofort mit einer Marke verbunden wird – intuitiv, emotional, unverwechselbar. Diese Wirkung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis konsequenter Markenführung.

Form meets Function

Im Corporate Design ist Schrift mehr als nur Gestaltungselement – sie ist Identitätsanker. Sie sorgt dafür, dass eine Marke über alle Medien und Touchpoints hinweg wiedererkennbar bleibt. Eine gut gewählte Hausschrift verleiht einer Marke Kohärenz und Haltung. Sie erzählt, wie sorgfältig eine Marke mit ihrer Kommunikation umgeht, bis ins kleinste Detail. Denn wer auf Typografie achtet, zeigt, dass ihm Wirkung und Wahrnehmung wichtig sind.

Typografie wirkt nicht nur durch Stil, sondern auch durch Funktion. Lesbarkeit ist Teil der Brand Performance – und Ausdruck von Respekt gegenüber den Menschen, die eine Botschaft lesen sollen. Unleserliche Schriftgrößen, zu enge Laufweiten oder schlechte Kontraste schwächen nicht nur das Design, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Marke.

Barrierefreie Typografie mit klaren Formen, ausreichenden Abständen und unterscheidbaren Zeichen macht Markenbotschaften für alle zugänglich – unabhängig von Alter, Sehvermögen oder technischer Umgebung. Sie sorgt dafür, dass die Inhalte nicht nur gut aussehen, sondern auch verständlich, lesbar und inklusiv sind: für alle, die sie erreichen sollen.

Die neue Markenschrift der Volksbanken Raiffeisenbanken ist die perfekte Verbindung zwischen technischer Kompatibilität, Persönlichkeit und Barrierefreiheit. 

Standard spart Geld – Individualität schafft Wert

In vielen Corporate Designs kommen heute kostenfreie Schriften z. B. aus Google Fonts zum Einsatz. Die Nutzung ist einfach, flexibel und budgetfreundlich. Doch was sich auf den ersten Blick rechnet, kann langfristig Markenwert kosten. Denn diese Schriften sind austauschbar und schaffen keine Differenzierung zum Wettbewerb. Eine individuell entwickelte oder angepasste Schrift dagegen trägt die DNA einer Marke, stärkt Vertrauen und Wiedererkennbarkeit.

Eine maßgeschneiderte Hausschrift ist ein einmaliges Investment mit nachhaltiger Wirkung und eine strategische Markenentscheidung. Sie gehört der Marke, ohne wiederkehrende Lizenzgebühren oder Nutzungsbeschränkungen, und sorgt für Konsistenz über alle Touchpoints hinweg.


Lösung zwischen Pragmatismus und Markencharakter

Auch Open-Font-Lizenzen (OFL) bieten Potenzial für Marken: Diese frei lizenzierten Schriften dürfen modifiziert, erweitert und an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Durch gezielte Eingriffe in Formen, Laufweiten oder andere Details kann aus einer bestehenden Basis ein unverwechselbarer Markenfont werden. Gerade für Unternehmen mit begrenztem Budget ist das eine attraktive Lösung, um Individualität und Differenzierung zu erreichen, ohne Lizenzkosten zu tragen.

 

Für die Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH Erfurt (KoWo) haben wir die bestehende Unternehmensschrift Roboto so verändert, dass sie so individuell wie die Mitarbeitenden des Unternehmens wird. 

Wenn Schrift in Bewegung kommt

Schrift ist längst nicht mehr statisch. Mit der Technologie der Variable Fonts beginnt eine neue Ära: dynamisch, flexibel und ressourcenschonend. Statt vieler Dateien vereint ein Variable Font alle Schriftschnitte in einer einzigen Datei. Gewicht, Laufweite oder Kursivgrad lassen sich stufenlos anpassen – für neue gestalterische Möglichkeiten und schnellere Ladezeiten.

Statt zwischen festen Schriftschnitten zu wählen, können Designer*innen die Typografie exakt auf das Medium oder den Content abstimmen – von der filigranen Headline bis zur dichten Textpassage. Marken profitieren von einer konsistenten Schriftfamilie, die sich über alle Touchpoints hinweg an jede Situation anpasst, ohne an Charakter zu verlieren. Besonders spannend ist das Potenzial für interaktive Anwendungen. Schrift kann heute auf das Verhalten der Nutzer*innen reagieren – etwa auf Scrollbewegungen, Geräuschpegel, Tageszeit oder Emotionen. Ein Text, der sich leicht verändert, wenn man mit ihm interagiert, schafft Nähe und Dynamik und macht Markenkommunikation spürbarer. Typografie wird so zum aktiven Teil des digitalen Erlebnisses, nicht nur zum Träger von Information.



Ob individuelle Markenschrift oder adaptierter Open Font: Schrift ist dynamischer Teil der Brand Experience und ein kraftvoller Motor moderner Markenidentität.